Oft ist das Ziel alleine die Motivation: Christoph Strasser wurde 1982 in Leoben in der Steiermark geboren. Nachdem er in seiner Jugend als Fußballspieler aktiv war, begann Christoph Strasser mit 18 Jahren mit dem Radsport. Er kann unzählige Erfolge und Rekorde in seiner Karriere verbuchen: 2005 war er mit 22 Jahren jüngster Finisher des Race Across the Alps. In den folgenden Jahren gewann er mehrere 24-Stunden-Rennen. 2007 stellte er mit 950 km einen neuen österreichischen Rekord im 24-Stunden-Radfahren auf und wurde mit 25 Jahren jüngster Ultra-Radmarathon-Weltmeister. 2011 gewann Strasser als dritter Österreicher nach Franz Spilauer und Wolfgang Fasching das Race Across America und das als bisher jüngster Sieger aller Zeiten. 2014 gewann er das RAAM erneut, konnte dabei seinen eigenen Rekord unterbieten und beendete das Rennen als erster Fahrer in der Geschichte des RAAM in unter 8 Tagen. Wir hatten das Glück ihn kurz bevor er einen weiteren, unglaublichen Rekord aufgestellt hat, nämlich 3940 Km von Perth nach Sydney zu fahren, zu interviewen.
Es war nicht so, dass ich im Alltag unzufrieden war und ich ein großes Ziel suchte bzw. gebraucht hätte. Eigentlich war es ein kleiner Traum, der langsam in mir gewachsen ist. Damals war ich Anfang 20, habe meinen Zivildienst gerade beendet und zu studieren begonnen. Dementsprechend habe ich genug Zeit gehabt, um zu trainieren. Wenn man älter wird und mehr Verantwortung hat, ist das nicht mehr so einfach. Es war nicht sofort mein Ziel ein Race Across America zu gewinnen. Ich hatte einfach nur Spaß an der Bewegung und am Ausgleich. Nach intensiverer Beschäftigung mit dem Radsport und den ersten 24-Stunden-Rennen habe ich erstmalig an eine Teilnahme am RAAM gedacht. Sozusagen wurde das RAAM das größte und ultimative Rennen, während die anderen Rennen Vorstufen dafür waren. So ist das Ziel einfach mitgewachsen. Ich habe zuerst kleine Ziele verfolgt und dann immer einen Schritt weitergemacht.
Finde, was deines ist, und verfolge es dann! Oft ist das Ziel alleine die Motivation
Von Studiumbeginn 2001 bis 2006/2007 war Radfahren ein ambitioniertes Hobby. Meinen ersten WM-Titel habe ich 2007 gewonnen und auch die ersten 24-Stunden-Siege erzielt. Im gleichen Jahr entstand die Idee einmal am RAAM teilzunehmen. 2008 hat es einfach nicht funktioniert: Ich hatte weder Sponsoren noch Betreuer. Damals habe ich gelernt, dass manche Dinge einfach etwas länger dauern. 2009 habe ich teilgenommen und bin wegen einer Lungenkrankheit leider ausgeschieden. Das war sehr schwierig für mich und ich war danach sehr enttäuscht. Das nächste Jahr hatte ich kein Geld und nur wenig Selbstvertrauen. Ich habe an mir gezweifelt, was ich jedoch überwunden habe. Ich wusste, bei der zweiten Teilnahme könnte ich siegen, wenn ich gesund bleibe. Also habe ich den Mut gefunden, mir Hilfe zu holen und einen Profi-Trainer engagiert. Der hat mein Training betreut und vieles umgekrempelt. Ich habe davor zu viel trainiert und zu wenig regeneriert. Ich wurde effizienter und habe dann 2011 den ersten RAAM-Sieg erzielen können! Erst nach dem ersten RAAM-Sieg wurde mir klar, dass es mein Traum war, von meinem Hobby leben zu können.
Es ist eine Kunst, sich für etwas zu begeistern, ohne dass die Begeisterung nach einiger Zeit wieder abflaut. Langzeitmotivation ist schwierig: Jeden Tag sich dafür zu entscheiden, sich dem Training zu widmen und dranzubleiben. Man kann es vermutlich am Besten mit einer Liebesbeziehung vergleichen: Anfangs hat man die rosa Brille auf, denn es ist etwas neues und spannendes. Jeden Tag kommt man einen Schritt weiter. Zehn oder 15 Jahre später - da ist die frische Liebe vielleicht weg, aber dann ist daraus eine reifere Beziehung entstanden.
Es gibt nichts Schöneres als jeden Abend das Gefühl zu haben, dass man heute seinem Ziel ein Stück näher gekommen ist.
Im Nachhinein kommt man darauf, dass Rückschläge immer für irgendetwas gut waren. Jedes mal wenn ich einen Rückschlag erlitten habe, habe ich gemerkt, wie wichtig mir das Ganze eigentlich ist. Oft ist es doch so, dass man nach Erfolgserlebnissen, weniger streng mit sich selbst wird und man sich wieder mehr gönnt. Wenn man mit Bergsteigern spricht, dann sagen dir alle, dass man ohne Angst übermütig wird. Mit Angst bleibt man fokussiert. Jedes mal nach einem Rückschlag, kurz vor dem Wiedereinstieg, habe ich diese Angst gespürt. Diese Angst habe ich für mich genutzt, um mich noch besser vorzubereiten. Zu viel Erfolg kann oft nachlässig machen
Mit Erfolgen umgehen ist gar nicht so leicht. Viele glauben, dass nach harter Arbeit und wenn man dann das Ziel erreicht hat, alles perfekt ist. Jedoch sind Ziele deshalb so wichtig, damit man den Weg vor sich hat. Man braucht ein Ziel, damit man weiß, wohin man gehen soll. Es gibt nichts Schöneres als jeden Abend das Gefühl zu haben, dass man heute seinem Ziel ein Stück näher gekommen ist. Habe ich das Ziel erreicht, ist es kurzfristig eine Genugtuung, aber ich muss aufpassen, dass ich nicht aus diesem Flow herauskomme. Man sollte sich dann gleich wieder ein neues Ziel suchen, damit man nicht in einer Lethargie versinkt.
Durch einen gewissen Bekanntheitsgrad kriegt man schnell Zuspruch. Man darf sich das jedoch nicht zu sehr zu Herzen nehmen, und sich nicht zu sehr von den Leuten nach oben heben lassen. In dieser Rolle fühle ich mich einfach nicht wohl, denn ich wollte nie bekannt werden, sondern nur machen, was ich gerne mache. Wenn man das findet, was einem Spaß macht, dann kommt der Erfolg von alleine. Erreiche Ziele, genieße das kurz und stecke dir neue!
Der Hauptantrieb für mich ist der Spaß an der Aktion. Wenn der Spaß verloren geht, werde ich mir auch schwerer tun, mein Ziel zu erreichen. Finde, was deines ist, und verfolge es dann! Oft ist das Ziel alleine die Motivation.
Manchmal kann es auch sein, dass sich Ziele verändern. Man darf nicht zu stolz sein, um sich dies auch einzugestehen. Man kann etwas Neues ausprobieren und muss nicht alles bis zum Lebensende durchziehen. Ich habe zum Beispiel mein Studium an der Montan-Universität nach 11 Semestern abgebrochen. Viele meinten zu mir, ich soll es doch, wenn ich schon so weit bin, auch fertig machen. Ich wusste aber, dass ich nicht in dieser Branche arbeiten möchte und ich daher nicht fertig studieren muss.
Man sollte Rückschläge schätzen lernen. Denn Rückschläge gibt es nur, wenn man an etwas arbeitet. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wenn man nicht sofort sein Ziel erreicht, ist es kein persönliches Versagen. Ich sage nicht, dass man Misserfolge anstreben sollte, aber sie können durchwegs auch ein Ansporn sein. Solche Erlebnisse sind essentiell. Wenn ich 2012 nicht „nur“ Zweiter geworden wäre, wäre ich das Jahr darauf niemals das Rennen in 8 Tagen gefahren. Der zweite Platz hat mich motiviert, es das nächste Mal noch besser zu machen.
Erreiche Ziele, genieße das kurz und stecke dir neue!
Für dieses Abenteuer sieht meine Vorbereitung etwas anders aus: Ich war noch nie in Australien, ich kenne weder das Wetter noch die Vegetation. Es erwartet mich etwas ganz Neues. Das RAAM kenne ich schon sehr gut. Ich weiß, worauf ich aufpassen muss. Beim RAAM geht es nur mehr darum, bestimmte Dinge zu optimieren. Aber manchmal muss man auch etwas machen, ohne 100 % darauf vorbereitet zu sein.
Man wird es im Nachhinein nie wieder vermissen wollen, wenn man Experten um sich hat. Dadurch entsteht eine gewisse Verbindlichkeit, weil man plötzlich nicht mehr nur sich selbst gegenüber verantwortlich ist. Man lernt dabei auch nicht nur auf sich selbst zu konzentrieren.
Vielleicht ist eines der wichtigsten Dinge, das Ego nicht zu groß werden zu lassen und nicht zu stolz zu sein, um sich Hilfe zu holen. Ich bin noch immer mein eigener Chef und es ist eine Hilfestellung. Es ist eine große Bereicherung, wenn man jemanden zusätzlich in seinem Netzwerk hat. Dadurch hat man auch eine weitere zwischenmenschliche Ebene hineingebracht, was nur eine Win-win-Situation sein kann.
Jeder kann etwas Außergewöhnliches leisten, wenn man einen tieferen Sinn sieht, in dem was man macht.
Das passiert hinter den Kulissen. Man hat plötzlich das Gefühl, das Ganze ist nicht nur für einen persönlich wichtig, sondern auch andere Leute werden inspiriert. Wenn man Charity-Projekte durch die Versteigerung eines Fahrrads unterstützen kann, ergibt das eine zusätzliche Sinnhaftigkeit. Jeder kann etwas Außergewöhnliches leisten, wenn man einen tieferen Sinn sieht, in dem was man macht. So bleibt die Motivation.
Der 24-Stunden-Weltrekord auf der Rennbahn wird im Oktober 2017 nachgeholt und ich möchte auch Juni 2017 wieder am RAAM teilnehmen. Langfristig möchte ich weitermachen mit dem, was mich erfüllt und für andere ein gutes Vorbild sein.
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Fotos by (c) Manuel Hausdorfer